Fünf Vampirinnen brausen mit heißen Öfen quer durch die USA. Ein Roadtrip der etwas blutigeren Art.
Vampire durchstreifen die Medien schon seit einigen Jahren und sind, neben Zombies, immer noch hoch im Kurs. Eigentlich möchte man meinen, dass der Hype jeden Moment abklingt, wenn man alle Facetten der nach Blut lechzenden Untoten gesehen hat. Doch dann gräbt ein weiterer Verlag doch noch eine angestaubte Geschichte aus der heiligen Erde der Archive und schafft es sogar der Thematik einige interessante Facetten abzugewinnen. In diesem Fall hat sich Panini Comics zur ersten deutschen Übersetzung von "Vamps" aus dem renommierten Hause Vertigo durchgerungen. Schon im Jahr 1994 erschien der Comic aus der Feder von Elaine Lee und trotz des etwas in die Jahre gekommenen Zeichen- und vor allem Farbstils von William Simpson liest sich die Geschichte rund um fünf untote Vampirinnen erstaunlich aktuell.
Howler, Screech, Whipsnake, Skeeter und Mink sind der Willkür ihres Meisters Dave ausgeliefert. Ähnlich einem Löwenrudel gehen die fünf Frauen auf die Jagd und locken die Beute zum Anführer. Sie sind es jedoch leid, sie träumen von Freiheit und Selbstbestimmung. Als Dave fett und prall gefüllt, unfähig sich zu wehren, in der lauen Sommernacht am Boden liegt, ziehen die fünf Frauen ihren Plan durch. In seine Einzelteile zerlegt und mit einem Pflock in der Brust verscharren sie Dave, schnappen sich die fünf Bikes und brausen davon.
Zum ersten Mal frei und unabhängig, fahren sie dem Mond entgegen, immer auf der Suche nach neuen Opfern. Den verführerischen, wilden Frauen ist es ein Leichtes sich die Männer gefügig zu machen. Wie dummes Schlachtvieh gehen sie den Vampirinnen in die Falle, sie sind simple Nahrung und die Frauen bedienen sich schamlos und ungezügelt am reichhaltigen Buffet – frei nach dem Motto von Cyndi Laupers "Girls Just Wanna Have Fun". Doch sie müssen über den Tellerrand der Biker-Gemeinschaft blicken, zu eindeutig ist die Spur an blutleeren Leichen, die ihren Road Trip pflastern. Schon bald ist ihnen ein Detektiv auf den Fersen, gemeinsam mit Howlers Zwillingsschwester verfolgt er die Fährte. Sie scheint eine symbiotische Gedankenverbindung zu ihrem untoten Ebenbild zu haben, doch noch ist ihr nicht klar, was die blutgetränkten Träume bedeuten.
Wie ein Tierrudel im Blutrausch fressen sich die Vampir-Ladys durch die USA, sind Opfer ihrer untoten Instinkte. Nur Howler scheint noch etwas Menschliches in sich zu tragen. Angetrieben von der Sehnsucht nach ihrem von der Legislative zur Adoption freigegebenen Sohn scheucht sie ihre Gefährtinnen über die staubigen Straßen. Ihr Mutterinstinkt ist trotz der untoten Leere nicht erloschen, er ist ihr größter Antrieb und gleichzeitig auch größte Schwäche. Bald findet sie den ungerechten Richter und somit auch die erste warme Spur zu ihrem Sohn, zu einem Stück Leben ihrer selbst.
Mittels innerer Dialoge erzählt die Autorin aus dem Nähkästchen der Gedankenwelt der untoten Schönheiten. Manchmal erscheinen die inneren Monologe etwas zu poetisch und aufgesetzt. Die Detektivgeschichte wirkt eindimensional und fügt sich mit den ebenfalls etwas eindimensionalen Charakteren nicht nahtlos in den größeren Handlungsbogen ein. Auch hätte die Geschichte eine straffere, flottere Erzählweise vertragen, zu oft wiederholen sich manche Ereignismuster. Ansonsten schafft es die Autorin, ihrer Zeit vorraus, trotz des vielbedienten Vampirthemas durchaus einen frischen Blick auf den Kult zu werfen. Grafisch ist "Vamps" jedoch etwas gewöhnungsbedürftig und eigenwillig. Teilweise ist es aufgrund von mangelnden Details der Gesichter und der blassen Farbgebung schwierig, die Protagonistinnen zu unterscheiden. Ein Nachwort der Autorin und die sechs Originalcover von Brian Bolland runden den Sammelband schön ab.
Insgesamt ist "Vamps" schwierig zu beurteilen. Der Comic trat schon lange vor dem aktuellen Hype über die Grenzen aktuell etablierter Grenzen. Gern begleitet man die fünf untoten Frauen auf der Suche nach sich selbst und ihrer Vergangenheit. Dennoch hat die momentane Flut an Blutsaugern eine gewisse Ermüdung bei dieser Thematik zur Folge, die man aber nicht dem vorliegenden Comic zuschreiben kann. Die Geschichte rund um weibliche Vampire, die für ihre Unabhängigkeit und gegen ihre inneren Dämonen kämpfen, bietet ausreichend Lesespaß und neue Anreize, um aus dem Vampir-Einheitsbrei hervorzustechen. Liebhaber und Comic-Leser, die dem Vampirkult noch eine neue Seite abgewinnen wollen, können durchaus einen Blick in "Vamps" werfen – einem blutiges Lesevergenügen mit einer gehörigen Portion Sex-Appeal.
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