Einmal mehr muss sich unsere wackere Heldin nicht nur der eigenen Vergangenheit, sondern auch den Verfehlungen anderer in der Gegenwart stellen.
Den nunmehr neunten Band der wirklich vorbildlich aufbereiteten Integral-Ausgabe von "Aria" in den Händen halten zu dürfen stimmt durchaus wehmütig, denn vom endgültigen Finale von Michel Weylands Saga trennt die Leserschaft nur mehr ein Eintrag. Dieser bittersüße Schmerz wird erst recht verstärkt durch die vier Alben, die diesmal in deutscher Erstveröffentlichung versammelt wurden und im Original (nach einer Pause zwischendurch) wieder in "Spirou" zum Abdruck kamen. Ein angenehmer Nebeneffekt ist hierbei, dass zu den zwischen 2011 und 2014 im Jahrestakt erschienenen Bänden 33-36 auch entsprechende Interviews mit dem Künstler entstanden, die zusätzliche Infos zur Entstehung und Inspiration der Geschichten liefern.
Gleich der Auftakt "Die Überlebenden der Erinnerung" ("Les rescapés du souvenir") wirft Aria den schwersten emotionalen Brocken seit langem vor die Füße, der sich zunächst – zumindest für ihr Umfeld – recht unscheinbar in einer Lustlosigkeit, die kürzlich erfolgte Rückkehr mit den Freunden zu feiern, äußert. Unsere Protagonistin hat sich eine waschechte Depression eingefangen, die sich umso mehr verschlimmert, als sie nicht durch die ansonsten nimmermüde Reisetätigkeit von nicht bewältigten Geschehnissen in der Kindheit abgelenkt wird. Nachdem bereits der
fünfte Band eines ihrer beiden zentralen Traumata behandelte, ist es nun das tragische Schicksal der Eltern, das an der Seele der nach außen hin toughen Kriegerin nagt und sie aufzureiben droht.
So wie ihr Schöpfer Arias Hintergrund und Persönlichkeit hier weiter ausgestaltet, erhellt er anschließend in "Der Bauch des Todes" ("Le ventre de la mort") die Geschichte ihres erweiterten Familienumfelds, dessen Vermögen sich ein Erbschleicher und durchtriebener Mörder unter den Nagel reißen will. In den beiden letzten Alben "Die Macht der Asche" ("La pouvoir des cendres") und "Der Gratweg" ("Le chemin des crêtes") wiederum finden sich die stets vorhandenen Bezüge zur Realität besonders prominent wieder, als die blonde Schönheit in ein exotisches Land aufbricht, dessen im Einklang mit der Natur lebenden Einwohnern durch einen leider bestens bekannten Hunger nach Ressourcen Gefahr droht.
Das Ineinandergreifen solch aktueller Referenzen, klassischen "Sword and Sorcery"-Themen und dem Reifungsprozess der Hauptfigur, das durchaus an Elemente des Entwicklungsromans denken lässt, machen die ungeheure Anziehungskraft von Michel Weylands Serie aus, sein nach all den Jahren immer noch verfeinerter Stil mit zahlreichen Details und nicht zu vergessen die stimmige Kolorierung von Nadine Weyland vervollkommnen die erzählerische Reise auch diesmal. "Aria" ist auf vielfältige Weise interpretier- und analysierbar – und ganz einfach ein Highlight der Neunten Kunst, von dem der alsbaldige Abschied umso schwerer fallen wird.
# # # Andreas Grabenschweiger # # #
Publisher: Kult Comics
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