Egal ob Mars oder Erde, Intoleranz und Hass grassieren auf beiden Planeten.
Bevor das "Kerngeschäft" im Rahmen von "Black Hammer: Visions" und einem veritablen künstlerischen Staraufgebot wiederaufgenommen wird, hat Splitter nach
"Skulldigger & Skeleton Boy" und
"Colonel Weird – Cosmagog" den dritten Titel von Phase zwei des "Hammerverse" in die Regale gestellt. Jeff Lemire war an der fünfteiligen Miniserie natürlich beteiligt, überließ das Skript jedoch seinem Landsmann Tate Brombal, der einen ausgezeichneten Job und diesen Band zu einer weiteren Glanzleistung macht. Somit ist die Nominierung für den Eisner Award 2021 als "Best Limited Series" keine allzu große Überraschung. Aber alles der Reihe nach.
Nachdem die Homosexualität von Mark Markz, dem im Spiral City lebenden Superhelden Barbalien, bei "Black Hammer" von Beginn an zur Sprache kam, bringt ein Rückblick seine tragischen Erlebnisse im Jahr 1986 ans Licht. Die AIDS-Epidemie brachte weite Teile der Bevölkerung dazu, die gesellschaftlich ohnehin stigmatisierten schwulen Mitbürger noch weiter auszugrenzen und ihnen mitunter die Schuld am Grassieren der Krankheit zu geben – falls das Thema nicht ohnehin geflissentlich ignoriert wurde, was selbst bei US-Präsident Ronald Reagan lange Zeit der Fall war. Mark Markz, der als Polizist in Spiral City arbeitet, gerät in die Proteste, die sich gegen die Diskriminierung wenden und lernt mit Miguel einen ihrer Anführer kennen.
Aufgrund des Aussehens, dass sich der Gestaltwandler vom Mars gibt, um zu einem Treffpunkt der Community zu gelangen, bekommt er kurzerhand den Namen Luke verpasst. Während Mark miterleben muss, wie sich andere Cops nach Kräften bemühen, die Bewegung niederzuknüppeln und zu verhaften, erlebt er selbst Aufnahme und Toleranz in seinem neuen Umfeld – und gerät in ein riesiges Dilemma, schließlich muss er nicht nur seine außerirdische Herkunft verbergen. Als wäre das alles nicht schlimm genug, macht sich unterdessen ein anderer Marsianer auf den Weg, um den "Verräter" zu bestrafen.
Wie die bisherigen Spin-offs taucht auch dieser tief in den Zeitgeist jener Ära ein, in der sich seine Geschichte zuträgt, hier aber wohl mit Abstand am intensivsten. Die Paranoia und Zerrissenheit werden in jedem Panel spürbar, die Verwundbarkeit von Mark Markz, Miguel und ihren Mitstreitern von Gabriel Hernández Waltas Zeichnungen ebenso meisterhaft herausgearbeitet wie die Brutalität jener, die gegen alles vorgehen, was nicht den heteronormativen Befindlichkeiten entspricht. Selbst wenn es eine Seuche ist, die jeden völlig unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlecht oder Ethnie treffen kann.
Die Welt von "Black Hammer" nutzt das Superhelden-Genre seit jeher auch als Sprungbrett, um völlig Anderes zu erforschen, nämlich den Menschen und was ihn wirklich definiert. "Barbalien: Roter Planet" geht hier noch viele Schritte weiter und ist nicht nur die bisher politischste Story des "Hammerverse", sondern verschiebt auch die Grenzen des Machbaren im Mainstream-Comic und berührt mit einer starken Botschaft, dass alles gut werden könnte, wenn nur genug von uns dafür zu kämpfen gewillt sind. Ein großer Wurf der Neunten Kunst, bei dem alles bis ins Detail stimmt, selbst die Beschriftungen, die Ort und Zeit der Erzählung angeben. Sie erinnern nämlich frappant an "Star Wars", dessen Held Luke Skywalker hier den Mark Markz von Miguel verliehenen Namen inspiriert!
# # # Andreas Grabenschweiger # # #
Publisher: Splitter Verlag
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