Obwohl es Randolph Carter gelingt, den Schrecken einer abgelegenen Insel zu entkommen, findet er keine Ruhe. Kaum zurück in der Heimat wird er von Stimmen geplagt, die ihn auffordern, eine versiegelte Gruft zu öffnen.
Randolph Carter hat mit knapper Not den großen Krieg überlebt. Als er in die Heimat nach Neuengland zurückkehrt, ist er gezeichnet von den furchtbaren Ereignissen in den Weiten des Ozeans: Erst wurde sein Schiff von deutschen Streitkräften auf offener See versenkt und nur in letzter Sekunde konnte er sich in Sicherheit bringen, doch die Rettung verheißende, einsame Insel in der schier endlosen See entpuppte sich als Ort des Schreckens. Carter hofft, die dortigen Erlebnisse im Schoß seiner Familie hinter sich lassen zu können, doch nach kurzer Zeit wird er auch an diesem vertrauten Ort eine Zielscheibe des Grauens.
In seinen Träumen wird er von unheimlichen Stimmen verfolgt, die ihn auffordern, die seit Ewigkeiten verschlossene Gruft unweit des Hauses zu öffnen. Noch ahnt Randolf nicht, welch düsteres Geheimnis tief unter der Erde verborgen liegt. Als es ihm gelingt, die versiegelte Ruhestätte zu öffnen, hat er keinerlei Ahnung, welches Unheil über ihn und die Welt hereinbrechen wird. Die Ereignisse überschlagen sich und bringen Kummer und Leid über seine Liebsten. Carter bleibt als gebrochener Mann zurück, gezeichnet vom unfassbaren Grauen, das ihn in den Tiefen der Gruft heimsuchte.
Erfreulich schnell findet auch die zweite Folge der ersten Staffel der "Chroniken des Grauens" den Weg in die CD-Regale und einschlägigen Download-Portale und macht genau dort weiter, wo man bereits mit der
ersten Episode aufgehört hat. WinterZeit präsentiert eine äußerst dichte und an vielen Stellen tatsächlich unheimliche und angsteinflößende Fortsetzung der Ereignisse aus dem Auftakt der neuen Serie im Labelstall. Obwohl einige Handlungsstränge bereits in der Pilotfolge zu Ende gebracht werden, empfiehlt es sich unbedingt, diese zu kennen, denn viele Ereignisse aus "Die Gruft" nehmen Bezug auf die dortigen Geschehnisse beziehungsweise spinnen andere Aspekte des Plots gekonnt fort, jedoch ohne einen Rückblick, der den Einstieg erleichtern würde.
Die gesamte Folge ist geprägt von einer enormen Dichte und Intensität. Nur schwer kann man sich den bedrohlichen Ereignissen, die sich über mehrere Jahrzehnte spannen, entziehen. Im Mittelpunkt steht erneut Randolph Carter, der erkennen muss, dass er den dämonischen Kräften, denen er auf einem abgelegenen Eiland begegnet ist, nicht entrinnen kann. Der Hörer wird mitgenommen auf eine dunkle und mysteriöse Reise in die Abgründe seiner Vergangenheit. Aber auch die anderen Ebenen dieser Geschichte entwickeln eine dunkle Sogwirkung, insbesondere seien an dieser Stelle jene Szenen erwähnt, die das Publikum ins Rumänien der 1950er Jahre entführen. Hier versteht man es meisterlich, der Hörerschaft zu veranschaulichen, welches Grauen nur einen Wimpernschlag entfernt von unserer heilen Welt lauern kann.
Erste Handlungsstränge gewinnen immer weiter an Kontur, während andere hinzukommen, die den Hörer zunächst mit einem Fragezeichen zurücklassen, im weiteren Verlauf der Staffel sicherlich aber noch mit Sinn gefüllt werden. Tatsächlich beschreitet WinterZeit hier wie im Medium Fernsehen neue Wege und rollt eine Story aus, die sich über mehrere Folgen erstreckt und ihre ganze Tragweite erst am Ende offenbaren wird. Eine Entwicklung, die man nur begrüßen kann, endlich sind Produzenten bereit, sich von immer wiederkehrenden Einzelepisoden zu verabschieden und den Hörern zuzutrauen, eine Geschichte über eine größere Anzahl von Veröffentlichungen zu verfolgen. Schon alleine für diesen Mut gebührt den Machern an dieser Stelle Respekt.
Die soundtechnische Gestaltung lässt auch im zweiten Anlauf keinerlei Wünsche offen, die verwendeten Effekte bereichern das gesprochene Wort an der richtigen Stelle und untermauern die Stimmung der jeweiligen Szene. In eine ähnliche Kerbe schlägt die musikalische Gestaltung. Der Soundtrack zu den in den Gedankenwelten Lovecrafts angesiedelten Geschichten ist gleichermaßen erhaben, episch wie majestätisch, aber ebenso abgründig dunkel und furchteinflößend auf den Punkt gebracht, einfach genau richtig für ein Hörspiel wie "Die Gruft".
Erneut führt Wolfgang Pampel, der sicherlich vielen als die deutsche Synchronstimme von Harrison Ford bekannt sein dürfte, durch das Geschehen und entpuppt sich dabei einmal mehr als ideale Besetzung des Erzählerparts. Tommy Morgenstern ist als Randolph Carter zu hören, ihm bereitet es scheinbar keinerlei Probleme, der Zerrissenheit seines Charakters Ausdruck zu verleihen. Zu jeder Zeit gerät seine Performance eines Menschen am Rande des Wahnsinns glaubhaft und ist sicherlich ein Höhepunkt dieses hochkarätigen Hörspiels.
Daneben kommen viele weitere bekannte Stimmen zum Einsatz, die allesamt zu gefallen wissen. Darunter befinden sich so illustre Namen wie Detlef Bierstedt, Bernd Vollbrecht, Magdalena Turba oder Joachim Pukaß. Insgesamt sind es fast zwei Dutzend großartiger Akteure, die auch die zweite Episode von "Howard Phillips Lovecraft – Chroniken des Grauens" zu einem Erfolg werden lassen. Am Schluss sei noch das liebevoll gestaltete Booklet erwähnt, das für Fans fast keine Wünsche offenlässt. Ein stimmungsvolles Cover plus Backgroundinfos zu Sprechern und Produzenten wissen auch in diesem Bereich zu überzeugen. Auch wenn sich noch nicht alle Zusammenhänge erschließen, ist "Die Gruft" sicherlich eine der beeindruckendsten Produktionen des Hörspieljahres 2020.