Bei der Verfolgung der Blutspur des grinsenden Mannes durchbricht Pater Burke die Grenzen von Raum und Zeit.
Es wäre wohl etwas übertrieben, dem Kreativteam von "Gideon Falls" prophetische Gaben anzudichten, aber bemerkenswert ist angesichts der gegenwärtigen Covid-19-Krise schon, dass einer der zentralen Charaktere ihrer 2018 gestarteten und längst als TV-Adaption in Planung befindlichen Horrormär seit mehreren Jahren mit einer Schutzmaske herumläuft. Andrea Sorrentino zufolge hat es weniger mit Hellsicht zu tun als vielmehr der von ihm (zunächst gegen den Widerwillen von Autor Jeff Lemire) beabsichtigten zeichnerischen Reflexion von Unsicherheit und Paranoia Norton Sinclairs, der sich vor der bedrohlichen Welt als Ganzes zu isolieren versucht.
Sollte dieser bemerkenswerte Zufall der Serie zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren, haben aber sicher weder deren Schöpfer noch der Splitter Verlag als deutscher Lizenznehmer etwas dagegen einzuwenden, wenn die Realität die Kunst imitiert. Der dritte Band liefert jedenfalls seitenweise Argumente für neue Leser, um auf den Zug aufzuspringen, denn das Topduo Lemire/Sorrentino beständig unter Hochdruck hält und auf Gleise quer durch Raum und Zeit steuert. "Der Kreuzzug" ist ein mehr als aussagekräftiger Titel für die unfreiwillige Reise, die Pater Burke antritt, als er sich an die von Leichen gesäumten Fährten des Mörders mit dem ungesunden Lächeln heftet. Dabei lässt er das Jahr 1886 hinter sich und gerät unter anderem in einen Überwachungsstaat von Orwells Gnaden, der Religion so gar nicht leiden kann.
Während sich herauskristallisiert, dass Fred Quinns übergeordnete kirchliche Instanz über Wesen und Ursache der unheimlichen Schwarzen Scheune bestens informiert zu sein scheint, wird auch die Verbindung zwischen Clara, ihrem vermeintlich im Kindesalter verschwundenen Bruder Daniel und den keinesfalls wirren Aufzeichnungen des gemeinsamen Vaters klarer. Perfiderweise kommen für jede Antwort neue Fragen hinzu, sodass man gar nicht anders kann als nach der hoffentlich bald erscheinenden Fortsetzung zu gieren. Und wer dachte, dass der (im maximalst positiven Sinne) grafische Wahnsinn keine Steigerung mehr erfahren könnte, wird von Maestro Sorrentino einmal mehr eines Besseren belehrt!
# # # Andreas Grabenschweiger # # #
Publisher: Splitter Verlag
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