Ein Inhuman mit einer ganz besonderen Gabe löste anno 2016 den zweiten Superhelden-Bürgerkrieg im "House of Ideas" aus.
Wenn etwas erfolgreich ist, dann versuche es zu wiederholen. Angesichts dieses in der bisherigen Geschichte von Marvel oftmals (und mit qualitativ variierenden Resultaten) beherzigten ungeschriebenen Gesetzes stellte die Ankündigung von "Civil War II" eigentlich keine sonderlich große Überraschung dar. Das
Original von 2006/07 gilt als eines der besten Marvel-Crossover überhaupt und wusste nicht nur mit langfristigen Auswirkungen auf das Verhältnis der Superhelden unter sich, sondern auch als zeitgeschichtlicher Kommentar zu gefallen. Marketingtechnisch schlau platziert im Vorfeld des Kinostarts von "Captain America: Civil War", das Elemente des von Mark Millar orchestrierten Spektakels aufgriff, hatte die Fortsetzung ziemlich große Fußstapfen zu füllen.
Brian Michael Bendis, einer der zentralen Lenker der Marvel-Geschicke seit Mitte der 2000er (und wenig später vom ewigen Rivalen DC unter Vertrag genommen), wählte dafür eine zunächst simple Frage, die aber zu keinen einfachen Antworten führt: Was wäre, wenn sich durch eine Person, die in die Zukunft sieht, Angriffe von Schurken und Bösewichten im Vorhinein vereiteln ließen? Eine solche ist nämlich der aufgrund der Terrigen-Nebel frisch aus dem Kokon geschlüpfte Inhuman Ulysses, den Visionen einer verwüsteten Erde und zahlreichen toten Superhelden plagen. Dank seiner Gabe gelingt die Abwehr einer Invasion aus einer anderen Welt, doch als Medusa & Co. offenbaren, woher sie davon im Vorfeld wussten, nimmt das Zerwürfnis seinen Lauf.
Carol Danvers alias Captain Marvel, die Katastrophen und Leid verhindern will, bevor sie überhaupt eintreten, leckt Blut und lauert aufgrund einer neuerlichen Voraussage von Ulysses mit ihrem Team Thanos auf, der im Kampf jedoch ihren Geliebten Jim "War Machine" Rhodes tötet und damit Iron Man gegen sich aufbringt. Ausgerechnet der ausgewiesene Futurist Tony Stark warnt eindringlich davor, dass es ein moralisches Problem ersten Ranges darstellt, jemanden für eine noch gar nicht eingetretene (oder aufgrund der Unsicherheit der Prophezeiung womöglich nie eintretende) Handlung zur Rechenschaft zu ziehen. Spätestens als Carol Danvers den Hulk durch eine weitere Vision von Ulysses zur Gefahr erklärt und dieser auf tragische Art aufgehalten wird, lassen sich die Risse in ihrem Verhältnis zu Tony Stark nicht mehr kitten.
"Zukunft muss passieren, sonst ist es keine Zukunft". Diese Aussage von Bruce Banner fasst das Dilemma perfekt zusammen, um das herum Bendis seine Geschichte konstruiert. Wie "Civil War" behandelt auch das Sequel das Thema der persönlichen Freiheit, obwohl dies hier weniger an politische Gegebenheiten zum Zeitpunkt seines Erscheinens anknüpft als vielmehr an eine philosophische Diskussion, die aber nichtsdestotrotz ebenso fundamentale Grundrechte tangiert. Wenngleich die Konsequenzen von "Civil War II" für das Marvel-Universum weniger dramatisch ausfielen als ein Jahrzehnt davor, bietet die hier abgedruckte erste Hälfte intelligente Action, die dank David Marquez auch zeichnerisch was hermacht. Ebenfalls enthalten sind das "Free Comic Book Day"-Kapitel zum Event und der Oneshot "Civil War II: The Accused", in dem Daredevil quasi gegen sich selbst ermittelt.
# # # Andreas Grabenschweiger # # #
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