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Gruselkabinett 98

Gruselkabinett 98
Hauke Haien war schon immer ein Einzelgänger. Die Menschen der nordfriesischen Küste achten und fürchten ihren Deichgrafen.

(C) Lübbe Audio / Gruselkabinett 98 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenEigentlich war das Leben von Hauke Haien bereits bei seiner Geburt vorbestimmt. Hineingeboren in kleinbäuerliche Verhältnisse des nördlichen Frieslands stand außer Zweifel, dass er einmal das Erbe des Vaters antreten und dessen bescheidenen Hof übernehmen würde. Doch das Schicksal hat andere Dinge mit Hauke im Sinn. Schon früh zeigte er ein großes Interesse für Zahlen und die Mathematik, mit den Interessen seiner Altersgenossen konnte er wenig bis gar nichts anfangen. Sein wacher Verstand und seine Vorliebe für Euklid machten den jungen Mann bald zu einem Einzelgänger unter Menschen entlang des Deichs. Doch Hauke war fest dazu entschlossen, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen, um irgendwann selbst zum Deichgrafen aufzusteigen.


Der Umgang mit mathematischen Überlegungen gepaart mit seiner Intelligenz hatte ihm vor Augen geführt, was niemand hören wollte, die Deiche der Gegend waren unzulänglich und veraltet. Hauke hatte Visionen, wie er das Bollwerk gegen die unbändige See deutlich verbessern könnte. Ablehnung und Misstrauen schlagen Hauke entgegen, doch dieser lässt sich nicht beirren und setzt seinen Weg fort. Mit Wissen und Beharrlichkeit gelingt ihm Schritt für Schritt der gesellschaftliche und finanzielle Aufstieg. Plötzlich scheint alles möglich. Doch düstere Vorzeichen stehen am Himmel bereit, das Leben des ungewöhnlichen Mannes für immer zu verändern.


Kurz vor dem Jubiläum, der 100. Folge, hält große deutsche Literatur Einzug ins "Gruselkabinett". Die von Theodor Storm kurz vor seinem Tod verfasste und 1888 veröffentlichte Novelle "Der Schimmelreiter" gehört zu den bedeutendsten Werken der deutschen Grusel- und Schauerliteratur und dürfte nicht wenigen bereits in der Schule begegnet sein. Jenen, die sich jetzt mit Grauen abwenden wollen, kann man nur entgegen, dass sie eine der besten und stimmungsvollsten Produktionen der Reihe verpassen würden. Dies gilt übrigens auch für die, welche einwenden, dass man bei diesem Hörspiel die Gruselelemente mit der Lupe suchen muss und eine Aufnahme ins "Gruselkabinett" nicht gerechtfertigt sei, da gab es in der Vergangenheit Vertreter, die für die das eher zutreffend war.


Die Geschichte ist spannend erzählt, dabei räumt man der Handlung jedoch genug Platz ein sich zu entfalten. Die verschiedenen Charaktere bekommen Zeit sich zu entwickeln und gewinnen im Laufe der über 100-minütigen Spielzeit immer mehr an Tiefe. Die unterschiedlichen Motivationen und Handlungsweisen werden so nachvollziehbarer und es gelingt der akustischen Bearbeitung, trotz einiger Kürzungen der literarischen in keiner Weise nachzustehen und somit dem, was "Der Schimmelreiter" nun einmal ist, eine der monumentalsten Gruselgeschichten des deutschen Sprachraums überhaupt. Damit diese ihre ganze Wirkung beim Hörer verströmen kann, ist es von essenzieller Bedeutung, die besondere Atmosphäre und Stimmung einzufangen.


Eines der beherrschenden Themen dürfte dabei sicherlich die Gewalt und Unberechenbarkeit der Elemente sein, die die Geschicke der Menschen an der norddeutschen Küste bestimmen. Die Zerstörungskraft des Meeres und die Launenhaftigkeit des Wetters, dies sind zentrale Themen, die Storm in seinem Werk verarbeitete und auch in der Bearbeitung von Titania ihren Niederschlag finden und den Hörer faszinieren dürften. Daneben erhält man einen tiefen Einblick in die Gesellschaft der norddeutschen Küstengebiete des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Althergebrachte Traditionen stehen im Wettstreit mit neuen Entwicklungen und Theorien, unterschiedliche Interessen treten zutage und sorgen für Spannungen unter den Menschen. Das führt Storm seinen Lesern auf beeindruckende Weise am Beispiel des Hauke Haien vor Augen und das Team von Titania schafft es meisterlich, das auch in seinem Hörspiel immer wieder an den richtigen Stellen aufblitzen zu lassen.


Die verwendeten Musikstücke verweben sich gekonnt mit der Geschichte und wachsen zu einem stimmigen Ganzen zusammen. Um den Hörer noch tiefer in die Handlung hineinzuziehen, werden immer wieder alte Begrifflichkeiten oder Besonderheiten aus dem norddeutschen Sprachraum übernommen, was die Geschichte nochmals aufwertet und für eine gehörige Portion Authentizität sorgt. Ein wirklich erstklassiges Ensemble konnte versammelt werden, um den Schimmelreiter als Hörspiel umzusetzen. Altgediente Hörspiellegenden sind dabei genauso zu hören wie viele bekannte Stimmen, die bereits so einige "Gruselkabinett"-Folgen mit ihren Stimmen bereicherten, und neue Talente, die ebenfalls mit großem Eifer bei der Sache sind.


Peter Weis überzeugt als Schulmeister, der die Geschichte des Hauke Haien einem Durchreisenden am Kamin vorträgt. Dagmar von Kurmin brilliert in der Rolle der alten Trin Jans. Horst Naumanns tiefe und wohltönende Stimme ist genau die richtige Wahl für den etwas einfachen Tede Volkerts, dem Hauke Haien als Deichgraf nachfolgt. Hans-Georg Panczak ist als Ole Peters zu hören, dem es scheinbar mühelos gelingt, den unterschwelligen Konflikt mit Hauke Haien mit jedem Satz hervorzuarbeiten. Wirkliche jeder der Akteure ist mit Herzblut bei der Sache und macht dieses Hörspiel zu etwas Besonderen. Trotz des eher geringen Anteils an übernatürlichen Elementen muss "Der Schimmelreiter" zu den absoluten Top Ten der Reihe gezählt werden.


 
# # # Justus Baier # # #



Publisher: Titania Medien/Lübbe Audio




 


 

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