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Interview: ASP

ASP 2015_1
Die deutsche Gothic Novel Rock-Instutition ASP über Erwartungen, Konzeptkorsetts und Klangprobleme.

Trisol/Soulfood / ASP Verfallen, Folge 1: Astoria / Zum Vergrößern auf das Bild klickenDie Band um Mastermind und Namensgeber Asp hat mit dem Album "Verfallen, Folge 1: Astoria" den ersten Part eines zweigeteilten Zyklus veröffentlicht. Das Konzept beruht lose auf einer Horrorkurzgeschichte des Erfolgsautors Kai Meyer und spielt im mittlerweile verfallenen Hotel Astoria in Leipzig. Der Bandkopf höchstselbst stand uns in Wien im Rahmen der entsprechenden Tour Rede und Antwort.



Trisol / ASP 2015_6 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenDanke dass du dir Zeit nimmst – wie läuft die Tour bis jetzt?

Sehr gut. Ich bin ganz überrascht, es wird sehr wenig gemeckert diesmal. (lacht)

Normalerweise ist das mehr?

Och, seit es das Internet gibt… da ist der Anstieg des Meckerns das Beachtenswerteste. Aber einfach auch durch die Tatsache, wie wir die Sachen handhaben, haben wir die Ansprüche ganz schön nach oben geschraubt, da kann man, wenn man genau hinkuckt, immer Leute finden, die was faul finden. Aber bis jetzt ist überall gigantische Stimmung, die Setlist kommt sehr gut an, was mich besonders freut, da ich mir sehr viel Zeit nehme, um die zusammenzustellen.

Was bei der Menge eures Repertoires aber auch kein Wunder ist.

Trisol / ASP 2015_4 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenDas auch, aber ich bin weiters der Überzeugung, dass wir einfach zu viele gute Songs haben. Ich würde gern alle spielen. (lacht) Aber die Show ist so schon lang genug, ich gebe immer alles und falle am Ende fast von der Bühne. Ich bin jetzt weder jung noch sportlich, aber dieses volle Aufgehen in der eigenen Musik, das braucht man. Leute die das nicht leben, die nimmt man nicht ernst auf der Bühne. Klar gibt es Tage, wo es nicht so flüssig läuft, wo die Hörsituation nicht gut ist oder sonst was, aber man muss auch aus den ungünstigsten Situationen das Allerbeste machen, damit die Leute ein Erlebnis haben und wiederkommen wollen. Gehört einfach zur Berufsehre. Wir haben gestern das kleinste Konzert der Tour gespielt, mit "nur" 400 Leuten, aber das darf keinen Unterschied machen – die Songs werden dadurch ja nicht schlechter. Wenn ich mir ein Konzert von so mancher meiner 1980er Heroen ansehe, merkt man schon, dass die enttäuscht sind, wenn es nicht so läuft wie sie wollen, und dann geben sie weniger Gas. Das kann man sich aber in der heutigen Zeit nicht leisten, wo jeder auf die Straße will, weil du mit CDs nichts mehr verdienst. Die Leute haben die Auswahl, und da musst du eine emotionale Ebene aufbauen – das geht nur live wirklich gut.

Kommen wir zum aktuellen Kampfgepäck der Tour: Du hast das Konzept ja gemeinsam mit Kai entwickelt, die Idee an sich gibt es schon lange, von ihm kam auch der Gedanke, das Ganze im Astoria-Hotel spielen zu lassen. Konntest du dich mit diesem ungewöhnlichen, weil sehr konkretem Ausgangspunkt gleich anfreunden?

Anfreunden ja, aber eine Herausforderung war es schon. Es ist nunmal ein realer Ort, den man auch leicht besuchen kann. Ich hatte Kai auch vorgeschlagen, was in Übersee zu nehmen, damit es nicht so leicht nachvollziehbar ist. Aber im Nachhinein war die Idee brillant, wenn man vor diesem Gebäude steht, spürt man die innewohnende Wucht. Gerade wenn man in der Fantastik schreibt, braucht man Anker in der Realität, sonst wirkt es schnell billig und man findet keinen Zugang. Bei Kai und seiner Routine funktioniert das super, wirkt glaubhaft, und ich denke, dass wir das im Rahmen der Möglichkeiten, die ein Album bietet, ganz gut umgesetzt haben.

Wie lief das in konzeptueller Form genau ab? Die Platte hat ja, nennen wir es mal zwei Hälften, obwohl das nicht ganz stimmt: Die "normalen" Songs und diese Zwischentöne genannten Überleitungen. Wie lief die Zusammenfügung ab?

Trisol / ASP 2015_5 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenEs war im Grunde klar, dass ich viel Erzählung unterbringen muss. Und wenn das nicht wieder ein Vierteiler werden soll, muss man lange überlegen, wie man das umsetzt, damit dann nicht lauter Zehnminüter drauf sind, obschon wir schon früher so ungewöhnlich lange Sprechstücke hatten. Einerseits wollte ich nicht jeden Rocksong von einem ewig langen Begleitstück gefolgt haben und andererseits mussten schon Nummern herauskommen, die man gut live spielen kann. Die man später auch aus diesem langen Konzept mal rausziehen kann. Diesen Ausgleich stellen die Zwischentöne dar, die zwar vom Konzept her nicht neu sind, aber musikalisch eben ganz was anderes. Da meine Geschichte im Gegensatz zu Kais 1919 beginnt und fortschreitet, kann man das nicht in jedem Song unterbringen. So ist zum Beispiel dieser 1920er Chanson eingeflossen, das darf man aber auch nicht zu sehr ausreizen. Aber die Balance ist ganz gut getroffen, es ist auch schön, dass es immer intensiver wird, damit man in die Geschichte eintauchen kann.

Trisol / ASP 2015_3 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenIch fühle mich ja als Geschichtenerzähler. Die Songs sollen immer transportieren, was man erzählen will, und das konnten wir bei den Zwischentönen freier gestalten. Das ist natürlich alles lautmalerisch, ob jetzt diese Zugfahrt-Percussion oder beim "Baukörper", der ganz schwelgerisch daherkommt. Konzeptuell war es eine wahnsinnige Tortur, weil dieses chronologische Fortschreiben auch nicht mein Ding ist. Ich bin froh, wenn ich mir die Themen auf den Schreibtisch packen kann, auf die ich Lust habe, aber hier wurde nach Exposé gearbeitet, das heißt ich wusste genau wo ich ende und in welchem Zeitrahmen ich dahin komme. Das Konzept ähnelt einer Filmmusik und das ist ein Kraftakt, weil man nicht per "Trial and error" arbeiten kann. So ist etwa "Fortsetzung Folgt" eine musikalische Notwendigkeit geworden, da der Song eigentlich gar nicht geschehen sollte. Aber ich wollte den Hörer nicht so einsam in diesem Sumpf von Grusel und Mord zurücklassen. Diese Art Notausgang oder Strickleiter führt zurück in die ASP-Welt und hat dadurch auch mit der Geschichte nichts zu tun, sondern ist ein Abspann, wie man ihn für einen filmischen Zweiteiler gemacht hätte.

Du bist ja als großer Freund von Doppeldeutigkeiten bekannt, mit "Ich Will Brennen" nennen wir an dieser Stelle nur das meistzitierte und bekannteste Beispiel. Überhaupt arbeitest du gern genau mit Sprache, was ja auch eine der Antriebsfedern für ASP generell war. Kannst du dir es ohne doppelten Boden überhaupt vorstellen?

Nein. Gerade bei einem Konzept wie diesem ist die Hauptaufgabe als Erzähler, die Musik so zu gestalten, dass man das mitnehmen kann und es emotional nachvollziehbar bleibt. Diese Herausforderung versuche ich immer zu schaffen, die Themen müssen in den Alltag ummünzbar sein. Wenn wir als Beispiel "Begeistert" hernehmen: Das hat jeder Verliebte schon erlebt. Wohl nicht in dieser Gruselvariante, aber diese Selbstaufgabe kennt wohl jeder. Genauso wie einen Abschied wie in "Mach`s Gut, Berlin". Ob das jetzt ein Abschied von einem geliebten oder gehassten Ort ist oder beides zugleich wie hier, oder auch von Menschen, was Neues ausprobieren – dass da beides stattfindet, das muss man schaffen und würde auch einen guten Roman ausmachen. Man muss sich in die Hauptdarsteller emotional einfühlen können und nicht nur die Geschichte vorantreiben. Zum Beispiel halte ich Stephen King deswegen für so erfolgreich, weil seine Charakterzeichnungen so glaubhaft gut sind. Man braucht das. Ich denke dass die Leute jetzt mal eine Weile an dem Album zu kauen haben, aber es ist auch wichtig, dass jetzt ein paar der Nummern live dabei sind, damit die mal in einem anderen Zusammenhang stattfinden. Wir sind als Musiker darauf angewiesen, dass man uns hört. Wenn die Leute jedesmal ein Zeitfenster von 70 Minuten brauchen, um eine ASP-Platte zu hören, wäre das bald vorbei. Einzelne Teile "rausnehmbar" zu machen, das wird beim zweiten Teil eine knallharte Aufgabe. Ich bin ja schon dran, aber es ist durch den fixen Endpunkt nochmal schwerer – momentan bin ich am Kürzen, was mir nicht leicht fällt.
 
Der brandneue Kurzfilm zur aktuellen Single

 

Was die emotionale Nachvollziehbarkeit betrifft: Bei persönlichen Themen kann es sein, dass man sich zu sehr in der eigenen Perspektive verliert. Hast du beim Schreiben manchmal das Gefühl, dass du Sachen umformulieren musst, weil dir sonst keiner mitkommt?

Ja, ich versuche das schon beim Schreiben zu berücksichtigen. Man darf sich aber nicht zu sehr darin verbeißen, wenn ich zuviel darüber nachdenke, was die Leute verstehen, wird das nichts werden. Erstmal muss man frei schreiben, erst in der Korrektur wird dann das beachtet. Wenn man Lyrik schreibt, ist das umso schwerer. Ich bin sehr starr in meinen Formen und versuche immer meine Reime so anzulegen, dass sie der Geschichte folgen und nicht umgekehrt. Das heißt ich versuche nur Notwendigkeiten zu dichten, sonst kommt sehr schnell das "Reim dich, oder ich fress dich". Das muss man sich dann oft von liebgewonnenen Stellen trennen können. Aber am Ende ist es so wie es ist, wenn es die Geschichte meiner Meinung nach braucht, kommt es so. Es sollen am Ende ja beide Alben eine Gesamtkomposition ergeben. Das macht auch das Feilen am zweiten Teil aus.

Das heißt du bist wie gesagt schon dran und gleich nach der Tour geht es ohne Pause ans Fertigmachen.

Trisol / ASP 2015_2 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenJa, und obwohl ich bekannt dafür bin, gerne und viel zu arbeiten, ist das absolut verrückt. Den Wahnsinn kann man sich nicht vorstellen. Album gemischt, Album ins Presswerk und flugs weiter ohne Pause und dieses Gefühl "So, wir ham’s geschafft" – nö. Nix ist geschafft, das war die Halbzeit. Es war eine gute Idee damals, aber manchmal verfluchen mich alle, wir werden auf dem Zahnfleisch über die Ziellinie kriechen.

Und dann kommen sicher gleich die ersten Stimmen, die nach einer Fertigstellung des "Fremd"-Zyklus schreien.

Ach, ich höre sogar das Gegenteil, Leute, die mich auffordern, mal eine Verdauungspause zu lassen. Aber gut, das ist auch eine Handvoll, vermutlich wird es die breite Masse anders sehen.

ASP und breite Masse?

Das wohl nicht. Man darf sich nichts vormachen, die 80.000 Likes oder so ergeben am Ende wohl 2000 Fans. Aber von den Leuten, die sagen dass sie Zeit brauchen, das sind wohl nicht viele.

Aber schön dass es die noch gibt. Die Ungeduld ist großteils sehr hoch, der Veröffentlichungsrhythmus ist teilweise immens. Sehr viel Musik in immer weniger Zeit macht ein Schnellkonsumgut draus, ein bisschen schade.

Nicht nur ein bisschen. Ich bin ja auch immer noch Musikfan, habe meine Angewohnheiten sehr geändert, habe viel Vinyl gekauft und höre fast nichts mehr über den Computer. Ich finde das keine gute Richtung. Als Musikproduzierender heutzutage stehst du vor der Entscheidung: Für wen produzieren wir klangtechnisch unsere Alben? Ein Album kann nicht – kann nicht – gleichzeitig optimal als MP3 und für eine Stereoanlage klingen. Das geht nicht. Diese CD ist bewusst für eine Stereoanlage gemischt und wie es dann als MP3 klingt – schauen wir mal.

Es geht. Ja… es geht.

Eben, es geht eben nur. (lacht) Auch wenn viele wohl nur mehr über ihr Smartphone Musik konsumieren werden, es passt überhaupt nicht zu uns. Aber jedesmal zwei Abmischungen zu machen, wie bei der "Maskenhaft", können wir uns bei unserer Größe nicht leisten und es wurde auch überhaupt nicht gedankt. War ein schönes Experiment, aber wenn du dann Sätze hörst wie "Nö, ich hab mir beide Abmischungen angehört, die klingen auf meinem Rechner beide gleich" – okay. Eine Bedienungsanleitung machen wir nicht dazu. (lacht)

(lacht) schöner Schlusssatz und damit danke ich dir herzlich für das schöne Interview!


 
# # # Bernhard Kleinbruckner # # #

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