Einmal 56 Seiten Fieberwahn, bitte! Kommt sofort, serviert von Altmeister Charles Burns.
1954 veröffentlichte Dr. Fredric Wertham seinen berüchtigten Comic-Frontalangriff "Seduction of the Innocent", ein Jahr später erblickte in Washington, D.C. einer der heutzutage profiliertesten Vertreter der gehobenen Neunten Kunst das Licht der Welt. Charles Burns ward er geheißen, und der gute Dr. Wertham hätte in seinem Werk wohl Unmengen an scheinbar moralisch verkommenen Inhalten aufspüren können. Wie auch immer, Reprodukt sei`s gedankt, dass wir vor kurzem nicht nur eine schön aufgemachte Komplettausgabe des preisgekrönten modernen Klassikers
"Black Hole" genießen durften, sondern jetzt mit "X" (im Original "X`ed Out") den Auftaktband einer neuen Serie in die Hände bekommen.
Doug heißt der unglückliche Protagonist, der von der ersten Seite ebenso wie der Leser in einen Strudel aus wahrhaft alptraumhaften Sequenzen eines Drogentrips oberster Güte gezogen wird. Da taucht seine scheinbar tote Katze durch ein Loch in der Wand wieder auf, dahinter befinden sich wenig freundlich gesinnte Reptilienwesen und eine orientalisch angehauchte Stadt mit seltsamen Speisen und noch seltsameren Einwohnern. Was geht hier vor? Ist der junge Mann mit künstlerischen Ambitionen verrückt geworden und muss dagegen massenhaft Medizin einwerfen, oder ist das alles nur ein schlechter Traum?
Fragen über Fragen, die Mr. Burns da vor uns auftürmt, und weit und breit keine Antworten in Sicht (außer hoffentlich in der Fortsetzung "Die Kolonie")! Gegen den genialen, psychedelischen Irrsinn, der in "X" auf engstem Raum aufgetischt wird, ist "Black Hole" schon fast eine vergleichsweise leicht verdauliche Vorspeise. Wenn jemand behaupten sollte, hier schon den Durchblick zu haben, können Schweine fliegen! Und das tun sie eben nicht, sondern schlummern als Föten eingelegt im Glas, nebst anderen kulinarischen Appetitlichkeiten. Mit auffallend entspannter Kolorierung versehen, lässt Burns seinen armen Helden, der daherkommt wie Tim ohne Struppi (aber mit Drogen), durch einen Alptraum stolpern, dessen wahre Dimension wir noch nicht erfassen können. Verwirrung pur – und große Kunst!
# # # Andreas Grabenschweiger # # #
Publisher: Reprodukt Verlag
Cookie-Einstellungen
Alle annehmen Ablehnen / Konfigurieren