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Selbstreflexivität im Computerspiel

Selbstreflexivität im Computerspiel
Wann 'sprechen' Computerspiele über Computerspiele und welche Folgen ergeben sich daraus?

(C) Verlag Werner Hülsbusch / Selbstreflexivität im Computerspiel / Zum Vergrößern auf das Bild klicken"Habt ihr damals auch in `Monkey Island 4` den originellen, allerdings in einem Adventure-Spiel nutzlosen +10 Stärketrank ausgewählt um zu sehen wie das Spiel reagiert?" "Ach, weisst du noch, als man in `Monkey Island 4` von einem Dart-Pfeil getroffen werden konnte?" Wenn Gamer über Computerspiele sprechen, werden Selbstbezüge, sogenannte "inhaltliche Anspielungen", besonders gerne als Ausgangspunkt bei Unterhaltungen herangezogen.


"Über die intertextuellen Verweise, die eben auch Verweise auf die (gemeinsame) Vergangenheit der Spieler sein können, wird der Anschluss an (ehemals) etablierte Redegegenstände möglich, wird Kommunikation beziehungsweise deren Akzeptanz wahrscheinlicher gemacht. Man erfährt die eigene Vergangenheit als Spieler in solchen Momenten möglicherweise nicht mehr nur als eine individuelle, sondern eine kollektive, die sich über das gleichsame […] Spielerlebnis zu erkennen gibt."


"Selbstreflexivität im Computerspiel" dreht sich daher um ein zentrale Frage: Welche Folgen ergeben sich durch selbstreflexive Strategien in Games? Bernhard Rapp, Autor der Dissertation, veranschaulicht mit dem oben angeführten Statement eine der größten Wellen, die durch Selbstreflexivität im Computerspiel, geschlagen werden: Wenn Computerspiele über Computerspiele `sprechen`, dann tragen diese selbstreferentiellen Bezüge zum Entstehen kollektiver Spieler-Identitäten bei. Das gleiche Prinzip funktioniert im Übrigen auch bei filmischen Bezügen, wie Rapp anhand seiner analytischen Beleuchtung von Selbstbezügen im Film "Goldmember" (USA 2002, Regie: Jay Roach) – im letzten Kapitel des Buchs – besonders pointiert veranschaulicht:


"Der Film beginnt mit einem Kameraflug über eine Wüstenlandschaft. Als Untertitel erscheint der Hinweis `Irgendwo in Utah`; spannungsgeladene Musik hebt an. Ein Militärhubschrauber fliegt über einen Canyon auf eine Straße zu, er verfolgt und beschließt ein dahinrasendes Motorrad – doch schon naht aus der Luft Rettung: Ein Mann stürtzt in freiem Fall durch die Luft. Es ist, wie anhand der Aufschrift auf dem Fallschirmgurt für den Zuschauer leicht zu erkennen ist [sic!], Austin Powers. Erste Zeilen eines Vorspanns erscheinen im Bild – es handelt sich, so muss der Zuschauer denken, um den Anfang des Films. Von seinem Fallschirm sicher gebremst landet der Agent kurz darauf in seinem Auto, einem Sportwagen Cabrio mit der englischen Flagge als Lackierung, das er offenbar aus der Luft mithilfe seine Armbanduhr zielgenau  ferngesteuert hat.


Sogleich mischt er sich in die Verfolgungsjagd von Hubschrauber und Motorrad ein, setzt sich zwischen beide Kontrahenten, wehrt Schüsse des Hubschraubers mit einer schnell ausgefahrenen Panzerglasscheibe ab und zieht überhaupt dessen ganze Aufmerksamkeit auf sich. [Nach einem spektaluräem Schlagabtausch; Anm.] explodiert [dieser] in einem gewaltigen Feuerball. Zwischen den herabregnenden, noch brennenden Trümmern kommt Austin Powers auf den Beinen zu stehen; die Kamera fängt indes zunächst nur dieses `Fuß-Bild` in einer Naheinstellung ein. Sie fährt dann vertikal und bis zum Kopf an seinem Körper nach oben, es ist – Tom Cruise, wie sogleich durch die Credits bestätigt wird […]".


Rapp versteht selbstreflexive Beiträge in Games in letzter Konsequenz als soziale Interaktionsprozesse. Er übersetzt  "Selbstthematisierung" bei Computerspielen im Sinne von "Gedächtnis" und "Erinnerung". Demnach bilden Selbstthematisierungen in Computerspielen – wenn Computerspiele über Computerspiele `sprechen` – eine aktive gemeinschaftliche Erinnerung. Sie tragen dazu bei, gemeinsame Identitäten auszubilden. Rapp spricht in diesem Zusammenhang sogar von Computerspielen als Quelle eines "kulturellen Gedächtnis".


Sowohl im Film als auch im Computerspiel spielt der Einsatz von Selbstthematisierungs-Akten häufig eine bedeutsame Rolle. In beiden Medien wird darauf gesetzt, dass Gamer und Zuschauer die Selbstthematisierung erkennen und darüber ins Gespräch kommen. Rapp schließt daraus, dass sowohl im Film als auch im Computerspiel Selbstreflexivität  sich als anerkanntes "Stilelement" von filmischer und spielerischer Erzähl-Sprache etabliert hat. Die Unterschiede liegen in der Intensität der Wahrnehmung: Während im Film die Zuschauer darauf beschränkt sind, die Selbstthematisierung zu beobachten und als "komisch" zu erkennen, motivieren Selbstbezüge im Computerspiel Spieler durch die (im Vergleich zum Film) weitaus höhere Anziehungskraft des Spiels (Immersion).


In "Monkey Island 4" ist es möglich, mit dem Helden an einem Dart-Turnier teilzunehmen. Eine der Spielfiguren wirft im Rahmen des Turniers den Pfeil jedoch auf den realen Spieler. Der Pfeil trifft. Dies wird dadurch veranschaulicht, dass er von innen auf die Mattscheibe des Bildschirms (!) trifft, an dieser Stelle des Spiels erscheint die grafische Darstellung von zersplitterndes Glas. Genau dort wird die Sicht des Spiels auf den Spielraum beeinträchtigt. Somit bekommt die zu Beginn des Dart-Turniers von einem Mitspieler getätigte Äußerung im Nachhinein eine ganz besondere Bedeutung: "Jede Wette, dass du den Kerl da vorne nicht triffst?" Der Kerl da vorne – das sind wir, die Spieler am Bildschirm!


Fazit: "Selbstreflexivität im Computerspiel" bietet eine umfassende wissenschaftliche Beleuchtung von Selbstthematisierung in Computerspielen. Rapps Studie gipfelt in seiner (durch Bildstrecken überaus einfach verständlich gemachten Analyse der) "Selbstbezüglichkeits-Strategien" im PC-Adventure-Titel "Monkey Island 4" (LucasArts 2000, Windows) sowie der Einleitungs-Sequenzen der Spionage-Film-Parodie "Goldmember".



# # # Karl H. Stingeder # # #



Publisher: Verlag Werner Hülsbusch






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