Das Böse hat viele Gesichter. Manchmal zeigt es uns die unverblümte Fratze des blanken Horrors, an anderer Stelle tritt es versteckt in Aktion.
Es gibt sie! Menschen, die Gefühle und den großen Begriff der Liebe nur als Mittel zum Zweck sehen. Echte Gefühle? Fehlanzeige! Was allein zählt ist der Profit, den die Beziehung zu anderen in Aussicht stellt – eine Attitüde, aus der die junge Stanislawa keinen Hehl macht. Solange ihre Nächte angefüllt sind mit allen nur vorstellbaren Lastern, stellt die Varietékünstlerin keine Fragen. Da kommt ihr der junge Vincenz d`Ault-Onival gerade recht, der junge Adelige ist der Frau mit zweifelhaftem Ruf verfallen. Selbst die schlimmsten Erniedrigungen und Beleidigungen können nicht davon abhalten Stanislawa bedingungslos zu lieben.
Schamlos nutzt die junge Frau die Gefühle des Grafen für ihre Zwecke aus. Doch nichts kann die Gefühle des Grafen ins Wanken bringen, obwohl er genau weiß, dass seine Herzensdame seine Empfindungen missbraucht. Ein Ende der Demütigungen scheint nicht in Sicht, doch dann kommt es zu einem unverhofften Sinneswandel. Eine Krankheit, die kaum heilbar erscheint, führt zu einem Umdenken der durchtriebenen Frau. Widerwillig lässt sie sich auf die Liebe von Vincenz ein, doch selbst viele Jahre des scheinbaren Glücks vermögen ihren wahren Charakter nicht zu ändern. Das Böse kann warten, um zum passenden Zeitpunkt zuzuschlagen.
Hanns Heinz Erwes dürfte im Kreise der "Gruselkabinett"-Fanbase mittlerweile zu einer Figur avanciert sein, die man entweder liebt oder hasst. Mit "Der letzte Wille der Stanislawa d`Asp" gastiert Ewers bereits zum vierten Mal und bleibt sich auch dieses Mal treu. Zwar gibt es stets einen übersinnlichen Aspekt, der Ewers` Auftritte in der Klassikerreihe rechtfertigt, doch ist es auch immer der direkte, ungeschönte Blick auf soziale Milieus und gesellschaftliche Abgründe, in denen sich das wahre Grauen verbirgt, welcher seine Geschichten einzigartig werden lässt.
Manchem sind die Direktheit und das Derbe, Frivole vielleicht an der einen oder anderen Stelle zu viel, doch genau diese Zutaten – eine Patina aus emotionalem Schmutz und ein oft enthemmter Umgang mit Sexualität und Tabus – geben diesen Geschichten etwas Besonderes und Unverwechselbares. "Der letzte Wille der Stanislawa d`Asp" reicht nicht ganz an das bisherige Referenzwerk
"Alraune" heran, steht aber eindeutig in derselben Tradition und zeigt, wie viele Facetten das Grauen haben kann. Trotz des sehr geradlinigen Aufbaus der Handlung gelingt es immer wieder unerwartete Höhepunkte einzustreuen und auch wenn einem immer wieder das latente Gefühl beschleicht, die Richtung zu erahnen, in der der Hase läuft, wird man erneut eines Besseren belehrt.
Ewers zeigt seinem Publikum, wie das Umfeld einen Menschen formt und sein Denken, Handeln und Fühlen sich zu etwas Grotesken und Unheimlichen verdrehen. Die Dialoge muten auf den ersten Blick vielleicht altmodisch an, dennoch gewinnt man von der ersten Minute an das Gefühl, dass bei jedem Wort eine gewisse Brutalität und Herablassung mitschwingt. Besser lässt sich das menschliche Böse kaum in Sprache manifestieren.
Die musikalische Gestaltung ist auch im vorliegenden Fall ein weiteres Mosaiksteinchen, das dieses Hörspiel aus der Masse hervorhebt. Lebenslust, Dekadenz und immer wieder das unterschwellige Böse finden ihren Eingang in den Noten und Melodien. Soundeffekte ordnen sich den Worten unter, sind aber immer präsent und liefern immer wieder zum richtigen Zeitpunkt die Leinwand, vor der die Dialoge ihre Bühne finden. Seien wir ehrlich, die Stimmen, die ein Hörspiel prägen, sind das Salz in der Suppe, der Unterschied zwischen solide und besonders. In dieser Produktion tummeln sich die großen Namen, die allesamt für Qualität bürgen.
Kostprobe gefällig? Hier agieren selbstsicher und überzeugend Namen wie David Nathan, Jürgen Thormann, Horst Naumann, Patrick Bach und Peter Weis. Doch dieses Hörspiel wäre nicht die Ausnahme, die es ist, ohne Daniela Hoffmann und Dietmar Wunder. Erstere stellt die perfekte Besetzung dar für die durchtriebene und immer auf ihren Vorteil achtende Frau, die über das Grab hinaus ihre Ränke spinnt. Dietmar Wunder wird komplett entgegen der üblichen Rollen besetzt und zeigt, wie viel mehr in ihm steckt, wenn man bereit ist ein Risiko einzugehen. Vielleicht einer seiner bisher besten Auftritte in der weiten Hörspielwelt.