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Gruselkabinett 151

Gruselkabinett 151
Manchmal lauert das Grauen verborgen hinter der trügerischen Maske des Normalen und Banalen.

Gruselkabinett 151Berlin, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die Stadt platzt aus allen Nähten, bezahlbarer Wohnraum ist knapp und kaum zu finden. Gunther Lutzke hat die Hoffnung schon fast aufgegeben ein neues Quartier zu finden, als er doch noch auf einige Zimmer stößt, die seinen bescheidenen finanziellen Mitteln entsprechen. Allerdings haben die Räumlichkeiten einen entscheidenden Nachteil, denn sie stehen in direkter Verbindung mit der Unterkunft eines weiteren neuen Mieters. In ihrer Not machen die Männer aus ihrer Situation eine Tugend und eine Wohngemeinschaft entsteht.


Das Arrangement funktioniert zunächst ausgezeichnet, da Fritz Beckers ein sehr zurückgezogenes Leben führt und die wenigen Zusammenkünfte der beiden immer wieder in unterhaltsame Abende münden. Dies ändert sich jedoch, als Lutzkes neue Freundin Aenny auf den Plan tritt und dessen Mitbewohner von der ersten Minute an feindselig gegenübersteht. Zudem wird die Vermieterin zunehmend misstrauisch, was Beckers in seinen Zimmern treibt. Seltsame Pakete aus aller Welt treffen in der Wohnung ein, oft mit dubiosem Inhalt. Dann plötzlich ist Aenny spurlos verschwunden. Ein Zufall oder steckt doch mehr dahinter?


Er ist zurück, der Fachmann für die etwas andere Art des Grusels: Die Rede ist von niemand Geringerem als Hanns Heinz Ewers, der bereits zum dritten Mal Einzug ins "Gruselkabinett" hält, dessen Geschichten sich durch eine ganze eigene Note auszeichnen. Möchte man sie mit einigen Schlagworten überschreiben, so kommen einem spontan Begriffe wie verdorben, vulgär oder abstoßend in den Sinn. Dies ist keinesfalls abwertend gemeint, denn Ewers gelingt es, das Abnorme und Makabre in den Alltag der Menschen einzubetten und ein besonderes Gefühl der Ablehnung zu erzeugen. "Die Topharbraut" fällt haargenau in diese Kategorie.


Der Alltag eines Menschen verschiebt sich langsam, Zentimeter für Zentimeter aus der Normalität ins zunächst Seltsame, um dann am Ende seine ganze Sprengkraft zu entfalten und sich ins Abstoßende zu entladen. Welche Richtung die Handlung dabei nehmen wird, bleibt tatsächlich bis zum fulminanten Schluss offen und lässt den Hörer mit einem Gefühl des Grauens zurück. Die Aufdeckung der tatsächlichen Vorkommnisse wirken geradezu obszön und makaber. Etwas, das nur wenigen Horrorgeschichten zu gelingen vermag.


Neben den eindeutigen Gruselanteilen kann "Die Topharbraut" aber auch ein wenig als Zeit- und Sittengemälde Berlins am Vorabend des Ersten Weltkrieges verstanden werden, was sich in den Schilderungen des Alltags, aber auch in den Dialogen der Figuren niederschlägt, die immer wieder auch Einsicht in die Gedankenwelt der Menschen von damals gewährt. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut Musik, Geräusche, Story und Dialoge zu etwas Neuem fusionieren und das Berlin der Vergangenheit Gestalt annimmt.


Es beeindruckt auch immer wieder, wie viele Facetten das Genre der Grusel- und Horrorliteratur letztlich zu bieten hat. Dem "Gruselkabinett" gelang es in seiner langen Laufzeit, diese unterschiedlichen Ansätze abzubilden und einem interessierten Publikum näherzubringen. Dass der Anspruch auch mit Erfolg einhergeht, liegt sicherlich neben der peniblen Bearbeitung der Stoffe an dem Herzblut, das immer wieder in die Hörspiele miteinfließt. Gerade bei der Besetzung der Rollen zeigt sich immer wieder das große Fingergeschick der Menschen hinter dieser Reihe.


Sinnbildlich dafür steht auch "Die Topharbraut". Michael Pan ist als Fritz Beckers zu hören, dessen Stimme hier bereits nach wenigen Minuten für ein Gefühl der Ablehnung sorgt. Seine Wortwahl in Kombination mit der Stimmfärbung des Sprechers beschwören ein eigentümliches Empfinden herauf, man fühlt sich während des Hörens besudelt und angewidert – faszinierend und schockierend zugleich, eine Ausnahmeleistung. Dazu gesellen sich weitere großartige Stimmen wie jene von Matthias Lühn, Beate Gerlach und Claudia Urbschat-Mingues, abgerundet mit denen der beiden Altmeister Eckart Dux und Horst Naumann. Mehr Hörspiel ist kaum möglich. Sicherlich eine der besten Folgen überhaupt!


 
# # # Justus Baier # # #



Publisher: Titania Medien


 

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