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Braunschlag

Braunschlag
In diesem Edelkaff sagen sich nicht nur Fuchs und Hase, sondern auch Moral und Anstand gute Nacht.

(C) Hoanzl / Braunschlag / Zum Vergrößern auf das Bild klickenWer in der überschaubaren Filmlandschaft Österreichs einigermaßen bewandert ist, wird in den vergangen Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Namen David Schalko gestoßen sein. Einer breiteren Öffentlichkeit stellte er sich 2002 mit der preisgekrönten "Sendung ohne Namen" auf ORF vor, beim Satireformat "Dorfers Donnerstalk" fungierte er als Regisseur. 2007 startete nicht nur das von ihm konzipierte "Willkommen Österreich" mit dem kultigen Komikerduo Stermann und Grissemann als Moderatoren, das immer noch für respektable Quoten sorgt, sondern auch die erste von zwei Staffeln "Die 4 da", in der Schalko kongenial mit Thomas Maurer, Florian Scheuba, Erwin Steinhauer und Rupert Henning nicht nur Österreichs Politikspitzen gezielt aufs Korn nahm. Neben Arbeiten für das Theater ist er auch als Autor tätig und brachte es mit seinem Roman "Weiße Nacht" 2009 fertig, den selbsternannten "Lebensmenschen" Jörg Haiders, Stefan Petzner, zu erzürnen.


Für den Herbst 2012 ist die TV-Ausstrahlung seines neuesten Projekts abgekündigt: "Braunschlag" heißt die achtteilige Serie, in deren Genuss man als DVD-Käufer angenehmerweise schon jetzt kommt. In jeweils dreiviertelstündigen Episoden wird man in ein niederösterreichisches Provinznest allererster Güte versetzt, in dem jeder jeden kennt und es trotzdem schafft, vor den anderen diverse schmutzige Geheimnisse zu bewahren: Bürgermeister Tschach (Robert "Wir sind Kaiser" Palfrader) etwa seine Liaison mit der Frau seines Freundes, Saufkumpans und erfolglosen Disco-Betreibers Pfeisinger (Nicholaus "Jedermann" Ofczarek). Seine Tochter ihre Kokainsucht, die sie gemeinsam mit ihrem zwielichtigen Freund dazu bringt, unter einem Vorwand vom vermeintlichen Studium in Wien zurückzukommen, um eine Geldspritze zu bitten. Seine Frau eine Affäre, mit der sie ihr festgefahrenes Liebesleben wieder in Gang zu bringen versucht.


Nicht minder viel Dreck am Stecken haben viele der anderen Braunschlager, und trotzdem grüßt man sich freundlich beim sonntäglichen Kirchenbesuch. Der wird schlagartig auch nötig, denn unverhofft mutiert das beschauliche Örtchen durch eine Marienerscheinung zur Sensation und Touristenattraktion. Busladungen an Gläubigen werden herangekarrt, die örtlichen Wirtschaftstreibenden wittern ihre Chance, der Vatikan entsendet einen Priester, der das vermeintliche Wunder als Betrug entlarven soll – was es auch ist, schließlich stecken Tschach und Pfeisinger dahinter. Damit wecken sie jedoch allerlei Begehrlichkeiten, die sich teilweise diametral im Wege stehen, angefangen vom Provinzkaiser aus der fernen Landeshauptstadt St. Pölten bis hin zur russischen Mafia, die ihre Chance gekommen sieht, das bei einem dubiosen Casinobau in der Braunschlager Erde versenkte Geld zurückzubekommen.


Etwaige Erwartungen, ein 2012er Update von Kultklassikern wie "Die Piefke-Saga" oder "Ein echter Wiener geht nicht unter" vor sich zu haben, werden bitter enttäuscht. Wer auf Schenkelklopfer beziehungsweise "Wuchtln," wie man in der Alpenrepublik zu sagen pflegt, hofft, wird leer ausgehen, er aber einen bitterböse Offenlegung der verwahrlosten österreichischen Seele sucht, liegt mit "Braunschlag" goldrichtig. David Schalko braucht keine lauten Töne, um Neid, Missgunst und Heimlichtuerei aufzudecken, die mit Alkoholexzessen, Provinzialismus und einem ekelhaft heuchlerischen Glauben eine unheilvolle Symbiose eingehen. Egal ob man einen Bezug zu der hier porträtierten Lebensart in einem Ort hat, der nicht nur geografisch, sondern auch kulturell und intellektuell weitab vom Schuss zu sein scheint, es ist beinahe unmöglich, in der einen oder anderen Situation nicht zustimmen zu können: "Ja, so ist es tatsächlich".


Wenn auch ab der Hälfte der Serie das Drehbuch massiv zu schwächeln beginnt, unter einigen Längen leidet und erst das überraschend schwermütige Finale wieder punktet, der unauffällige Soundtrack von KYRRE KVAM nicht überzeugen kann, präsentiert sich fast der ganze Cast in hervorragender Spiellaune – allen voran der großartige Nicholaus Ofczarek als bierwampiger Edelproll, der ehemalige MONDSCHEINER Fronter und Falco-Darsteller Manuel Rubey als am engen Korsett seines Berufs leidender Priester und Erwin Krisch, der einen verzweifelten Gefangenen in einem Keller nach bester Amstetten-Manier gibt. "Braunschlag" ist mit Sicherheit eine der besten österreichischen TV-Produktionen der letzten Jahre und ein weiteres Indiz dafür, dass von David Schalko in Zukunft noch Großes zu erwarten sein wird.


 
# # # Andreas Grabenschweiger # # #



Publisher: Hoanzl






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