Als Resultat der ab 1999 erfolgten massiven Ausbreitung von "Napster" fasste Filesharing endgültig Fuß im Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit. Nahezu eine Dekade nach dem Durchbruch des berüchtigten Tauschbörse-Prototypen wagt sich Raphael Dörr mit seiner Studie an die Analyse der hochrelevanten Thematik.
Zunächst ein Auszug aus dem im Buch behandelten Fragestellungen: Wird illegales Filesharing mit Kalkül betrieben? Wer trägt die gesellschaftliche Verantwortung für diese Entwicklung? Wie ist der aktuelle Status der Jurisdiktion hinsichtlich der Illegalität von Filesharing? Warum gehen die Anwender das Risiko von Verfolgung, Geldstrafe und sogar Haftstrafen ein?
Sachlich und ohne Berührungsängste erfolgt eine fundierte Annäherung an die komplexe Thematik hinsichtlich der sozialen und wirtschaftlichen Relevanz von illegalem Filesharing – ausgehend vom durchschlagenden Erfolg der Tauschbörse "Napster" Ende der 1990er Jahre. Positiv hervorzuheben ist dabei insbesondere die nüchterne und logisch schlüssige Herangehensweise von Raphael Dörr; dabei werden weder wirtschaftliche Implikationen noch die rechtliche Problematik des Filesharing oder ein mögliches Suchtpotential von virtuellen Tauschplattformen unter den Teppich gekehrt. Ganz im Gegenteil: Beispielsweise bildet die durch exzessiven Rückgriff auf Internet-Tauschbörsen inhärente Suchtgefahr von Bittorrent, Rapidshare & Co. sogar einen integralen Bestandteil der Untersuchungen des Autors.
Obwohl die Studie als akademische Abschlussarbeit angelegt ist und daher von wissenschaftlicher Zitation (Quellenangaben im Text sowie Anmerkungen als Fußnoten) durchpflügt ist, präsentiert sich der Gutteil der Analyseschritte und Interpretationen auch für Leser abseits der "Scientific Community" angenehm verständlich. Lediglich einige wenige Abschnitte, beispielsweise die erklärenden Statistikmethoden als Einleitung des Kapitels zu den ökonomischen Theorieansätzen, dürften für Laien etwas schwerer zu verdauen sein. Dies liegt aber nicht an einem Unvermögen des Autors, sondern ist vielmehr in der allgemein etwas komplexeren Materie von Statistik zu begründen. Jedenfalls trägt die im Buch an den Tag gelegte Gründlichkeit bei der Vernetzung und Vertiefung der verwendeten Theorien maßgeblich zum runden Bild der Studie bei: Abgesehen von der Stringenz des verknüpften theoretischen Basiswerks beinhaltet das Buch auch einen exzellenten Überblick über den aktuellen Forschungsstand.
Darüber hinaus bietet "Illegales Filesharing: Der Reiz am heimlichen Datentausch" einen spannenden Ausblick über mögliche gesellschaftliche Konsequenzen des Filesharing sowie Gefahren die auch aus pädagogischer Perspektive von großer Bedeutung sein können: "Gerade im Interessenbereich von Jugendlichen, wo nicht selten Sexualität und Gewalt Themen sind, die besonders begeistern, muss klar gestellt werden, dass im Fall der Tauschbörsen Perversionen transportiert und verbreitet werden." Die Einbindung des verwendeten Fragebogens sowie die Darlegung der verschiedenen Auswertungsmethoden, bieten darüber hinaus einen guten Einblick in die Anforderungen der wissenschaftlichen Empirie.
"Illegales Filesharing" richtet sich trotz Schilderung der wissenschaftlichen Methodik und des etwas schwer im Magen liegenden Statistikteils nicht exklusiv an Sozialwissenschaftler. Die Studie spricht sowohl Medienkonsumenten, die ihren Horizont erweitern möchten, als auch Laien (ohne Erfahrung aus erster Hand mit Tauschbörsen) an. Jedenfalls eröffnet die Studie einen differenzierten und tief schürfenden Rundumblick in den Kosmos der virtuellen Tauschplattformen.
# # # Karl Stingeder # # #
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