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AMPLIFEST

WHITE HILLS
26.-28.10.2012
Hard Club (Porto)

Ich bin geflasht! Gerade ist das zweite Amplifest in Porto zu Ende gegangen und ich habe ein sehr gut organisiertes und familiäres Festival mit durchweg guten Bands von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR bis BOHREN & DER CLUB OF GORE erlebt. Im Hard Club, einer alten Markthalle aus dem 19. Jahrhundert in der Nähe des Flusses Douro, findet bereits die zweite Auflage des Amplifest statt. In zwei Sälen wechselt das Publikum fast stündlich zwischen den Bands. Eine kleine Einkaufsmeile für alternative Freigeister mit Platten, CDs und T-Shirts sowie ein von den Bands geführter Merchandising-Stand runden die saubere Location ab. Zeitweise wird von den Veranstaltern sogar eine Kinderbetreuung angeboten, während die werten Eltern genüsslich im Klangkosmos von zahlreichen Bands versinken können.


(C) Fabian Toenges / Hard Club Porto / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
Hard Club Porto

Los geht`s in "Sala 2" mit der FUGAZI-Dokumentation "Instrument" von Regisseur Jem Cohen – welch stimmungsvoller Auftakt für die kommenden 48 Stunden! Bereits am Vortag konnten BARN OWL als Warm-Up-Act an anderer Stelle bestaunt werden. Mit SIX ORGANS OF ADMITTANCE geht es dann eruptiv, meditativ, dynamisch, laut und leise, groovy, monoton und instrumental zur Sache. Über einen Fender Deluxe Reverb mit Stratocaster windet sich Ben Chasney mit seinem Bassisten und Schlagzeuger durch ein kurzweiliges Set mit kakophonischem Freejazz und fetten Soundwänden à la NEIL YOUNG. Jedoch wartet man vergebens auf den nöligen Gesang des Meisters.


(C) Fabian Toenges / WHITE HILLS / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
WHITE HILLS


Noch völlig begeistert von diesem Auftritt, geht es wieder zurück in "Sala 2", wo die WHITE HILLS Stoner Rock mit Pomp und Glitzerstoff an den Verstärkern sowie elektronischen Soundflächen kredenzen. Die Songs des Trios gehen nahtlos ineinander über und wechseln zwischen mäandernden Riffs und meditativen Grooves. Blickfang ist auf alle Fälle die sexy Bassfrau namens Ego Sensation, welche sich lasziv im Rhythmus der Musik an ihren Bass schmiegt. Auch der Schlagzeuger ist herrlich durchgeknallt und das Trio hat sichtlich Spaß bei seinem Auftritt. Für mich ein erster Höhepunkt des noch jungen Festivals.


(C) Fabian Toenges / BOHREN & DER CLUB OF GORE / Zum Vergrößern auf das Bild klicken(C) Fabian Toenges / BOHREN & DER CLUB OF GORE / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
BOHREN & DER CLUB OF GORE


BOHREN & DER CLUB OF GORE grooven sich bereits in "Sala 1" meditativ ein. Die ganze Bühne ist komplett dunkel und wird nur von drei Lichtspots über den Köpfen der Musiker erhellt, die mit Bass, Saxophon und einem Fender Rhodes Piano tiefe Drones für`s Kopfkino erzeugen. Mit ihren Anzügen und Krawatten sowie der Bühnenästhetik, erinnern die Deutschen konzeptionell etwas an KRAFTWERK und auch die englischen Ansagen mit breitestem deutschem Akzent sorgen bei mir für leichtes Schmunzeln. Immerhin sind die seltensten Songs unter 15 Minuten und "Beileid" bildet einen zentralen Höhepunkt der BOHREN & DER CLUB OF GORE Messe.


(C) Fabian Toenges / PROCESS OF GUILT / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
PROCESS OF GUILT


PROCESS OF GUILT reißen das Publikum kurz danach aus seiner tiefen Entspannung. Mit Geschrei und Videoprojektionen liefern die Portugiesen das volle Brett im Stile von NEUROSIS und alle nicken mit. Fetter und bleischwerer Tieftönersound mit Songs um die zehn Minuten, cool! AMENRA aus Belgien spielen ebenfalls wuchtige und langatmige Songs und haben schöne Landschaftsprojektionen im Hintergrund laufen. Shouter Colin steht mit dem Rücken zum Publikum und sein Gesang kommt definitiv aus dem Hardcore-Bereich. Auch diese Band klingt interessant und hat eine beeindruckende Präsenz.


(C) Fabian Toenges / AMENRA / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
AMENRA


Bereits nach Mitternacht spielen RA/LÖBO in "Sala 2" auf, der Vierer aus Portugal bringt seine eigene Mischung aus Casio-Doom mit synthetischen Klangflächen und Beats. Was so vielleicht synthetisch und künstlich klingt, harmoniert in Wirklichkeit aber sehr gut mit der organischen Wucht von Schlagzeug, Bass und Gitarre. Lange, mäandernde Songs ziehen das Publikum in Trance und passen perfekt zum Samstagabend und dem Ende des ersten Festivaltags. Wer noch Energie hat, kann in einem anderen Club der Listening Party vom neuen NEUROSIS Album "Honor Found In Decay" beiwohnen, die bis in die frühen Morgenstunden andauern wird.


(C) Fabian Toenges / JOZEF VAN WISSEM / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
JOZEF VAN WISSEM

Der Sonntag verwöhnt mit sonnigem Herbstwetter und bereits um 16 Uhr sind alle Interessierten in Portos Kathedrale "Sé" eingeladen, wo JOZEF VAN WISSEM in einer kleinen Kapelle seine experimentelle Lautenmusik spielen wird. Dicht gedrängt sitzen um die 100 Besucher andächtig auf dem Boden und lauschen dem Akustik-Grunge, den der in New York lebende Holländer seinem mittelalterlichen Saiteninstrument entlockt. Die alternativen Melodien und Lieder des Komponisten sorgen bei den Hörern für nicht enden wollenden Applaus und eine Zugabe. Was für ein gelungener Auftakt des zweiten Festivaltags! Ich bin schon jetzt überwältigt und habe einen großen Respekt vor den Veranstaltern von Amplificasom, die eine grandiose und stimmige Mischung an Bands und Künstlern für ihr Festival zusammengestellt haben.


(C) Fabian Toenges / BLACK BOMBAIM / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
BLACK BOMBAIM

Zurück im Hard Club spielen am frühen Abend BLACK BOMBAIM instrumentalen Stoner Rock mit verzerrtem Fuzz-Bass, psychedelischen Klanglandschaften und einem Thereminspieler. Die ausufernden Stücke des Vierers aus Barcelos drücken extrem und sind sehr basslastig. Besonders abgedreht wird es, als ein Saxophonspieler seinem Instrument möwenartige Schreie entlockt.


(C) Fabian Toenges / NECRO DEATHMORT / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
NECRO DEATHMORT

Doom-Alarm! Ein monotones Schlagzeug aus dem Laptop plus Gitarre und Bass drücken ganz tief und sorgen für ein herrliches Wummern in der Magengegend. Die beiden Musiker von NECRO DEATHMORT aus London singen über verzerrte Vocoder und verfallen sogar manchmal in hibbelige Trip Hop Beats. Dazu noch ganz viel Nebel und wenig Licht- darüber freut sich jeder Fotograf, der einen vernünftigen Job machen will. Egal, die Mucke ist geil!


(C) Fabian Toenges / OXBOW DUO / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
OXBOW DUO

Im krassen Gegensatz dazu stehen Eugene S. Robinson und Niko Wenner vom OXBOW DUO in "Sala 1". Diese beiden bringen den Blues und ganz viel Soul auf die Bühne. Gitarrist Wenner würgt seine Les Paul über dem Fender-Verstärker und entlockt ihr groovige Bluesriffs. Der Sound der beiden klingt wunderbar minimalistisch und dynamisch, wenn man bedenkt, dass die beiden nur mit Gitarre und Stimme arbeiten. Mr. Robinson kreischt herrlich emotional und gibt vollen Körpereinsatz: Erst verschwindet die Krawatte, dann sein Hemd. Ein großer Auftritt! Kurz durchatmen kann man bei den ISIS Videos, die im anderen Saal gezeigt werden. Auch das ist wieder ein genialer Schachzug der Organisatoren, um die Ohren wieder freizubekommen.


(C) Fabian Toenges / UFOMAMMUT / Zum Vergrößern auf das Bild klicken(C) Fabian Toenges / UFOMAMMUT / Zum Vergrößern auf das Bild klicken(C) Fabian Toenges / UFOMAMMUT / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
UFOMAMMUT

UFOMAMMUT aus Italien waren mir bis dato unbekannt, doch schon die Mengen an Effektpedalen und fetten Verstärkertürmen lassen Großes erwarten. Ein stylisches Elvis-Mikro und der Rickenbacker-Bass des Sängers runden das äußerliche Geschmacksbild ab. Bereits die ersten Basstöne wummern herrlich tief und werden durch einen breiten und ordentlich groovenden Gitarrensound unterstützt. Im Hintergrund laufen stimmungsvolle Projektionen und Filme von Landschaften und Naturaufnahmen, die den Spannungsbogen dieses gewaltigen Riffmonsters dramatisch in Szene setzen. UFOMAMMUT zelebrieren ihren über einstündigen Rekordsong "Opus Primum/Opus Alter", der mit fettem Sound und wehklagendem Gesang frenetische Begeisterungsstürme und Headbangen beim Publikum hervorruft! Dieser Auftritt ist der Hammer und ein 90-minütiger Trip in dein Innerstes.


Bevor es zum Höhepunkt mit GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR kommt, können Interessierte noch William Farleys halbstündige Dokumentation "In Between The Notes" über indische Musik in "Sala 2" ansehen. Auch dieser Kurzfilm ist wieder ein kleines I-Tüpfelchen, dass man so auf diesem Festial nicht erwartet hätte. Doch es passt prima ins Amplifest-Konzept der Veranstalter, mit all ihren kreativen Bands und Künstlern auf und vor der Bühne.


Zwölf Jahre habe ich darauf gewartet, die kanadischen Post Rock Götter von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR live zu sehen. Bis hierhin hat sich meine Reise nach Porto zu diesem wunderbaren Festival schon vollends gelohnt und die 4 Filmprojektoren und riesige Backline verheißen Großes. Kabelwirrwarr und blinkende Berge von Effektgeräten prägen das Bühnenbild, vor denen David Bryant auf dem Boden kauert und das lange Intro zu "MLADIC" einläutet. Dieser Eröffnungssong (auch des neuen Albums "`Allelujah! Don`t Bend Ascend") der sich am Ende in eine Feedback-Orgie ergießt, wird frenetisch vom Publikum bejubelt. Unmittelbar danach dann die Sprachfetzen von "..they don`t sleep at the beach anymore", welches "Monheim" (vom 2000er Überalbum "Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven") einläutet und schon beim Intro lauthals bejubelt wird. Kreisförmig angeordnet sitzen die acht Musiker an den Instrumenten und zelebrieren ihre Messe.


GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR nutzen alles nur Erdenkliche zur Klangerzeugung und -erforschung. Schlagzeugbecken werden mit Cellobogen gestreichelt, Schraubenzieher zwischen Gitarrensaiten gesteckt, um eine massive Wall of Sound zu erschaffen. Kein Feedback, kein Ton, keine Note wird ungenutzt gelassen um Post-Rock, Noise und Doom zu Avantgarde und Kunst zu verschmelzen. Dazu visuell immer neue Filmstreifen aus den vier Projektoren, um die sich eigens ein Filmtechniker kümmert. Die 80-minütige Reise vergeht wie im Flug und am Ende bekommt jedes einzelne Mitglied des Kollektivs Applaus, während im Saal noch laut das Feedback dröhnt. Ganz langsam wird die Lautsärke der Mitmusiker an den Verstärkern runtergefahren. Was für ein Abgang, was für ein Auftakt der GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR Europatour und was für ein großartiger Abschluss des Amplifest 2012!


(C) Fabian Toenges / GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR / Zum Vergrößern auf das Bild klicken(C) Fabian Toenges / GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR / Zum Vergrößern auf das Bild klicken(C) Fabian Toenges / GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR / Zum Vergrößern auf das Bild klicken(C) Fabian Toenges / GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR

Nicht enden wollender Applaus, der mit einer Zugabe belohnt wird. David Bryant tritt an ein Mikro und verkündet, man versuche einen neuen Song, doch schon nach wenigen Minuten verlässt er kopfschüttelnd die Bühne, ebenso wie Gitarrist Efrim Manuel Menuck. Mit Thierry Amar am Kontrabass, Sophie Trudeau an der Violine, Michael Moya an der Gitarre, Mauro Pezzente am Bass und Aidan Girt am Schlagzeug wird dann noch gerettet was zu retten ist. Letzterer entschuldigt sich per Mikro beim Publikum für den versemmelten Song mit den Worten: "Sorry für alles! Die Gitarre ist kaputt und wie sie auch die Regierung von Portugal,  die Europäische Union und Kanada." Doch noch politische, aber versöhnliche Worte einer großartigen Ausnahmeband.


Das war also das Amplifest 2012. Rundum gelungen und von André Forte und seinem Team von Amplificasom mit ganz viel Hingabe und Liebe zum Detail organisiert. Jede der zwölf Bands und Künstler hat ein eigenes Subgenre alternativer und härterer Musik gespielt und alles war absolut stimmig. Auch der Indie-Gedanke kommt am Merchandising-Stand nicht zu kurz, wo die Bands noch selbst ihre Sachen zu fairen Preisen verkaufen. So stehen zum Beispiel UFOMAMMUT Rede und Antwort und GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR Bassist Mauro Pezzente verkauft mir Platte samt Shirt, Gitarrist Michael Moya redet noch nach dem Konzert mit mir und freut sich auf seinen zweiwöchigen Deutsch-Intensivkurs in Berlin. Sympathisch, diese Totalverweigerer aus Montreal. Ebenso wie das gesamte Festival. Ich bin im nächsten Jahr wieder dabei, weil das Amplifest schon jetzt eines der besten Festivalbeiträge in Europa ist!



Text & Fotos: Fabian Toenges

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